Exhibition:
Sunah Choi
Nach Material
Galerie Cinzia Friedlaender, Berlin, 2014

English

In her third solo show at Galerie Cinzia Friedlaender, Sunah Choi continues her engagement with the underlying relations between material and form, focusing her observations once again on the physical realities found in the streets of modern cities, and on everyday interactions with urban environments. These, however, are internalized and intuitive interactions, ones that we’re hardly aware of, like the almost mystical way in which the body knows to calculate how many steps to take so that it’s always with the stronger leg that we reach the first step of stairs.

A series of cyanotypes Wiener Blau (Viennese Blue) hangs in one room. These photograms in “Prussian Blue” go back to the very early moments of photography. Created by laying objects on chemically treated paper and exposing these temporary arrangements to sunlight, chance and an element of the unexpected play a role in the final results. The length and time of exposure varied, the objects themselves cast shadows on the paper, and the brush strokes of the chemical coating on paper are also traceable.

These works relate to the artist’s ongoing exploration of different modes of photography: negative images, imprints, frottage and photograms are just some of the techniques Choi uses, as well as directly drawing with light, placing changing arrangements of objects in her slide shows, or – in her performances – on overhead projectors. A performative element also resides within the cyanotypes, with their tracing of the artist’s interventions.

Metal, stone and concrete works set the atmosphere in the second room; materials that in an urban setting, are so omnipresent they simply blend in. Magnets are placed strategically as connectors between stone and steel – a physical element which is widely used in our everyday, present in everything from computers to household appliance but hardly ever noticed. Choi stages provisional-seeming and precarious situations, sculptures held together by gravity or magnets, as if alluding to the automated carelessness with which things are put aside, organized quickly, collected under a magnet for later consideration.

The steel and brick sculpture provisorisch stabil (provisionally stable), follows a rudimentary rule the artist had imposed on herself: As she collected and recorded found forms and materials, she particularly noted their dimensions. Electricity boxes, phone cable boxes, trash cans – these are some of the rectangular shapes measured and repeated in this work. A concrete sculpture, Geschichtet (layered), on the other hand, negates the provisional situations with its semi-permanent mass. Layer after layer of concrete was poured unto equally-sized, thin plates of varying materials, like glass, steel, plastic and so on, which appear nearly buried under the concrete. This stacking of layers is a manifestation of simplicity and directness of technique, creating permanence that seems rather haphazard.

Choi uses specific measurements, forms and materials in this new body of work as if to create an environment inhabited by objects of familiar dimensions. What are the effects the forms and materials that shape perception and movement in cities have on our intuitive and corporeal perspicacity?

Hili Perlson

The text of Hili Perlson was written for the solo exhibition at Galerie Cinzia Friedlaender
21 February - 29 March 2014

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Deutsch

In ihrer dritten Einzelausstellung in der Galerie Cinzia Friedlaender setzt Sunah Choi ihre Untersuchungen hinsichtlich der grundlegenden Beziehungen zwischen Material und Form fort, wobei ihr Augenmerk erneut den materiellen Gegebenheiten, auf die sie in den Straßen moderner Großstädte trifft, sowie den alltäglichen Interaktionen mit städtischen Räumen gilt. Wir selbst allerdings nehmen diese gleichermaßen internalisierten wie intuitiven Interaktionen nicht bewusst wahr – etwa den beinahe mystischen Scharfsinn des Körpers, mit dem dieser die Anzahl unserer Schritte so berechnet, dass wir stets den Fuß des stärkeren Beins auf die erste Stufe einer Treppe setzen.

An den Wänden eines der Ausstellungsräume hängt eine Serie von Cyanotypien Wiener Blau. Diese durch einen „preußischblauen“ Farbton bestechenden Fotogramme gehen zurück auf die Anfänge der Fotografie und verdanken sich einem Verfahren, bei dem verschiedene Objekte auf ein chemisch behandeltes Papier gelegt und diese flüchtigen Arrangements dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Insofern spielen der Zufall und ein Element des Unvorhergesehenen in ihnen eine herausragende Rolle. Die Cyanotypien wurden jeweils unterschiedlich lange belichtet, wobei die Gegenstände auf dem Papier ihrerseits Schatten warfen und die Spuren des Pinsels, mit dem die spezielle Beschichtung auf das Papier aufgebracht wurde, deutlich sichtbar blieben.

Die vorliegenden Arbeiten verweisen auf Chois permanente Auseinandersetzung mit verschiedensten fotografischen Mitteln: Zu den von ihr genutzten Techniken zählen unter anderem Negativ, Abdruck, Frottage und Fotogramm, aber auch das unmittelbare Zeichnen mit Licht und die Projektion wechselnder Arrangements von Objekten mittels eines Tageslichtprojektors im Rahmen von Chois Slideshows und Performances. Auch ihre Cyanotypien, bei denen die Eingriffe der Künstlerin nachverfolgbar bleiben, zeichnen sich durch ein gewisses performatives Element aus.

Arbeiten aus Metall, Stein und Beton – Materialien, die im Stadtbild so allgegenwärtig sind, dass sie letztlich mit ihm verschmelzen – geben die Atmosphäre im zweiten Ausstellungsraum vor. Als strategische Verbindungselemente zwischen Stein und Stahl fungieren Magnete, physikalische Komponenten, die im Alltag, in Computern und Haushaltsgeräten weit verbreitet sind und doch kaum jemals wahrgenommen werden. Choi inszeniert scheinbar provisorische und prekäre Zustände, Skulpturen, die von der Schwerkraft oder von Magneten zusammengehalten werden, als spielten sie hiermit auf die automatisierte (Nach)lässigkeit an, mit der etwas mithilfe von Magneten zur späteren Nutzung abgelegt, unmittelbar geordnet oder gesammelt wird.

Die Stahl und Stein Skulptur provisorisch stabil befolgt eine Reihe elementarer Regeln, die sich die Künstlerin selbst auferlegt hat. Beim Sammeln und Protokollieren gefundener Formen und Materialien berücksichtigt Choi insbesondere deren jeweilige Abmessungen. Stromverteilerkästen, Telefonkästen, Mülleimer – dies sind nur ein paar der hier vermessenen und wiederholten rechtwinkligen Formen. Andererseits negiert die Betonskulptur Geschichtet mit ihrer quasipermanenten Masse geradezu jene provisorischen Zustände. Schicht um Schicht wurde hierbei Beton auf gleich große, dünne Platten unterschiedlicher Materialien wie Glas, Stahl oder Kunststoff gegossen, die unter der Betonmasse fast vollständig zu verschwinden scheinen. Die so übereinander geschichteten Lagen drücken die Einfachheit und Unmittelbarkeit von Technik aus und erzeugen eine Form der Permanenz, die in hohem Maße willkürlich wirkt.

Choi nutzt hier für ihre neuen Arbeiten spezifische Abmessungen, Formen und Materialien so als wollte sie einen Raum schaffen, der von Objekten mit uns vertrauten Dimensionen bevölkert wird. Welche Auswirkungen haben diese Formen und Materialien, die unsere Wahrnehmung und Bewegung innerhalb der Stadt prägen, auf unseren intuitiv-körperlichen Scharfsinn?

Hili Perlson
(Übersetzung: Ralf Schauf)

Der Text von Hili Perlson wurde geschrieben für die Einzelausstellung bei Galerie Cinzia Friedlaender
21. Februar - 29. März 2014